Wie alles mit dem Obstpott begann…

Wie alles mit dem Obstpott begann…

Der alte Garten

Der alte Garten

Wenn man einen Garten mit sehr alten Obstbäumen kauft, kann es passieren, dass die Bäume erleichtert sind, wenn sich nach langer Zeit wieder jemand um sie kümmert. Sie blühen dann wieder voller Freude und verschenken im Sommer und Herbst großzügig ihre Früchte. Irgendwann ist die Familie mit Eingekochtem und süßen Aufstrichen für lange Zeit versorgt und lehnt dankend weitere Geschenke ab. So erging es mir und ich öffnete den Obstpott. Als wir vor einigen Jahren im Spätsommer hier einzogen, war der Obstgarten zugewachsen mit Gestrüpp! Schön wild, denkt sich mancher, doch darunter kam eine einzige, große Deponie zum Vorschein. Überall lag Müll, Schrott, Abfall herum. Achtlos weggeworfene Reste vergangener Leben. Spuren früherer Besitzer, die augenscheinlich weder Kraft noch Lust hatten, sich um dieses Stückchen Land mit dem angemessenen Respekt zu kümmern. Ich nahm im Garten die selbe Spannung wahr, die auch im Haus herrschte: ein Mischmasch aus Streit, Trauer, verlorenen Träumen und Abneigung. Es fühlte sich an wie eine schlimme Krankheit, die alles Schöne verdeckt. Den fünfzig Jahre alten Obstbäumen hatte jemand einen Topfschnitt verpasst – der mittlere Haupttrieb, der eigentlich die Krone nach oben hin ausbildet, war mannshoch abgesägt worden. Die Stämme waren beschädigt, Äste abgestorben. Die große Kirsche war über und über mit Baumpilzen bewachsen, die sich hauptsächlich an krankem oder totem Holz ansiedeln. An ihrem Stamm lehnten Zaunpfähle und Eisenstangen, mit schweren Betonfundamenten. Einer der drei Apfelbäume war zur Hälfte abgestorben, weil der Borkenkäfer ihm zugesetzt hatte. Die Stämme der beiden Anderen haben Verletzungen wieangefahren. Und als wir uns dann im Herbst durch die wilde Wiese gemäht hatten, entdeckte ich auch noch eine kleine Sauerkirsche ganz hinten in der Ecke. Aus einem drei Meter hohen Busch wurde ein Pflaumenbaum, der durch Wildaustrieb von den Wurzeln her zugewachsen war. Ein Baumschneider kam – heißen die so? – , schlug die Hände über’m Kopf zusammen und hatte einen ganzen Tag viel Arbeit. Kein Baum trug im ersten Herbst Früchte und bis ich wusste, was es überhaupt für Obstsorten sind, musste ich noch ein halbes Jahr warten. Bis dahin taten wir, was wir konnten und räumten auf. Eigentlich sind wir immer noch dabei und sammeln Müll ein und holen Schrott, Glas, kaputtes Spielzeug, Dachpappe, Bauschutt und Konservendosen aus modrigen Ecken. Ich grabe jedes Jahr die Beete um und sammele dort immer noch Scherben von altem Geschirr und Glas ein. Aber unsere Bäume blühten schon im ersten gemeinsamen Frühling und schenkten uns später auch eine kleine Kostprobe.
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